Veranstaltung: | Landesparteitag |
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Tagesordnungspunkt: | Anträge |
Antragsteller*in: | LAG Natur und Umwelt, LAG Landwirtschaft (dort beschlossen am: 26.09.2019) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 28.09.2019, 10:42 |
N 5: Grüne Waldpolitik für Schleswig Holstein
Antragstext
Grüne Waldpolitik für Schleswig Holstein
Ohne menschlichen Einfluss durch Siedlungs- und Straßenbau sowie durch
landwirtschaftliche Nutzung wäre der Wald das natürlicherweise am häufigsten in
Schleswig-Holstein vorkommende Ökosystem. Tatsächlich ist unser Land mit knapp
11 Prozent Waldanteil an der Gesamtfläche das waldärmste Bundesland.
Unsere heutigen Wälder sind überwiegend Wirtschaftswälder, die wertvolles Holz
liefern. Aber Wald ist viel mehr als ein bloßer Rohstofflieferant. Es ist ein
komplexes Ökosystem, das Schadstoffe aus der Luft filtert, Kohlenstoff speichert
und somit unser Klima schützt, unseren Wasserhaushalt reguliert und nicht
zuletzt Lebensraum für unzählige Tiere, Pflanzen und Pilze bietet.
Die extremen Wetterlagen in den letzten beiden Jahren mit starken Niederschlägen
im Winter und langer Trockenheit im Frühjahr/Sommer haben auch in den Schleswig-
Holsteinischen Wäldern zu Schäden geführt. Mit ein Grund sind großflächige
Entwässerungen in den letzten Jahrzehnten. Wälder haben eine besondere Situation
im Landschaftswasserhaushalt. Sie können Wasser nach starken Niederschlägen
speichern und dann langsam über einen langen Zeitraum abgeben. Das geht jedoch
nur, wenn sie nicht künstlich entwässert werden.
Der Landesparteitag möge beschließen:
Dem Schutz der Biodiversität sowie der Anpassungsfähigkeit und Klimatauglichkeit
der Landesforsten ist verbindlicher Vorrang vor der ökonomischen Nutzung
einzuräumen[1]. Das Konzept der SH-Landesforsten und die tatsächliche
Betriebsführung sind umgehend in Richtung auf ein eindeutig Ökosystem-
orientiertes Arbeiten auszurichten. Die „Betriebsanweisung Waldbau“ als
Grundlage für die Bewirtschaftung der Schleswig-Holsteinischen Landesforsten
sowie die „Handlungsgrundsätze für den Arten- und Lebensraumschutz in Natura
2000-Waldgebieten der Schleswig-Holsteinischen Landesforsten AöR (SHLF)“ sollen
unter Berücksichtigung der Empfehlungen der EU
(https://ec.europa.eu/environment/nature/natura2000/management/docs/Final%20Guid-
e%20N2000%20%20Forests%20Part%20I-II-Annexes_de.pdf) und des Bundesamts für
Naturschutz (https://www.bfn.de/themen/natura-2000/management/kooperation-mit-
nutzern/forstwirtschaft.html) überarbeitet und neu gefasst werden. Hierbei
sollen für die Natura 2000-Wälder die vom BfN naturschutzfachlich anzustrebenden
Werte übernommen werden. Für die übrigen Flächen der Landesforsten sollen die
vom BfN als „gute fachliche Praxis“ genannten Werte gelten. Die neue
Waldbaurichtlinie soll in einem partizipativen Verfahren, im Sinne der Agenda 21
(ökologisch, ökonomisch, sozial) unter Beteiligung der relevanten Stakeholder
entwickelt werden und zeitnah, möglichst in den nächsten zwei Jahren, umgesetzt
werden.
- Wir halten an dem Ziel fest, den Waldanteil im Land auf 12 Prozent zu
erhöhen.
- Bei der Neuanlage von Wäldern dürfen keine hochwertigen
Offenlandlebensräume wie z.B. Moore, Heiden, artenreiches Dauergrünland
oder bereits entwickelte Ausgleichsflächen herangezogen werden.
- Zur Sicherung aller ökologischen Funktionen sowie als Referenzflächen für
die Wissenschaft begrüßen wir die Ausweisung von 10 Prozent
Naturwaldflächen in unserem landeseigenen Wald. Mittelfristig streben wir
einen Naturwaldanteil von 10% für alle Wälder in Schleswig-Holstein an.
- Der öffentliche Wald hat eine Vorbildfunktion, um den Gemeinwohlleistungen
wie dem Klima-, Arten- und Naturschutz gerecht zu werden. Wir wollen, dass
der Landeswald dieser Funktion wieder stärker gerecht wird.
Dazu gehört
- der Verzicht auf den Einsatz von Pestiziden,
- der Umbau zu stabilen Laubmischwäldern mit heimischen und regionalen
Baumarten, ggf. auch durch schonende Entnahme nicht standortgerechter
Nadelbaumarten vor Erreichen der Hiebsreife
- ein höherer Anteil an Alt- und Totholz sowie Habitatbäumen,
- der aktive Rückbau vorhandener Entwässerungen, z.B. durch Anstau von
Gräben in Feuchtwäldern, Quellbereichen sowie abflusslosen feuchten
Senken.
- der Verzicht auf Holzeinschlag in der Brutzeit (März bis August), im
Umfeld bekannter Greifvogelhorste (Adler, Rotmilan etc.) auch nicht zur
Balzzeit im Januar und Februar. Erneuerung und Neuwaldbildung möglichst
durch Naturverjüngung,
- unterschiedliche Lebensräume im Wald entwickeln, die je nach
Standortgegebenheiten vielfältigen Arten von Pflanzen und Tieren zu gute
kommen (z.B. Waldmoore, lichte Wälder, Waldwiesen, Hutewälder,
strukturierte Waldsäume).
das Zulassen natürlicher Regeneration in den vom Eschentriebsterben
geschädigten Auwäldern,
- das Stehenlassen der Hauptstämme bei Verkehrssicherungsmaßnahmen an alten
Bäumen.
- Ausweisung von von 5 Habitatbäumen je Hektar Waldfläche (nicht nur bezogen
auf die über 100 jährigen Bestände).
- Für den Privatwald wollen wir Vertragsnaturschutzprogramme entwickeln, die
z. B. Habitatbäume oder die Wiedervernässung von entwässerten Standorten
honorieren.
[1] Vgl. Grundgesetz Artikel 14 & 20a, Landesverfassung SH Art. 11
Begründung
Begründung & Umsetzung
Die schleswig-holsteinische Waldbewirtschaftung ist gerade auch in den landeseigenen Wäldern in den letzten Jahren sehr einseitig an ökonomischen Kennzahlen ausgerichtet, richtet Schäden sogar in geschützten Biotopwäldern an[1] und hat keinerlei ökologische Vorbildfunktion für private Waldeigentümer. Dies wollen wir schnellstmöglich ändern.
Das für die Wälder der SHLF geltende Habitatbaumkonzept übertrifft mit dem Ziel von 10 Habitatbäumen je ha bereits jetzt die Vorgaben des BfN, was von uns ausdrücklich begrüßt wird. Allerdings betrifft dies lediglich die Ausweisung von Habitatbäumen bezogen auf die Flächen der Altwälder, d.h. Wälder älter 100 Jahre.
Dies sind geschätzt lediglich ca. 9.000 ha, bzw. 20% der Fläche, so dass bezogen auf die Gesamtwaldfläche lediglich 2 Habitatbäume je ha ausgewiesen werden. Das BfN schlägt als „Gute fachliche Praxis“ jedoch die Ausweisung von 5 bzw. 7 Habitatbäumen je ha vor, ohne dies lediglich auf Altwälder zu beziehen.
Wir fordern daher auch die Ausweisung von durchschnittlich 5 Habitatbäumen bezogen auf die Gesamtfläche der Landesforsten innerhalb der nächsten 5 Jahre, d.h. bei ca. 45.000 ha Landesforsten insgesamt die Ausweisung von 225.000 Habitatbäumen.
Die nach der bisherigen Planung (HaKon) bis 2021 auszuweisenden ca. 90.000 Habitatbäume (bezogen auf Waldflächen älter 100 Jahre) sollen bis Ende 2022 im digitalen Atlas Nord veröffentlicht werden (https://danord.gdi-sh.de/viewer/resources/apps/INSPIRE/index.html?lang=de). Da die Habitatbäume ohnehin digital erfasst werden, ist der zusätzliche Aufwand hierfür gering.
Die zur Zielerfüllung von 5 Habitatbäumen je ha erforderlichen Bäume sollen bis Ende 2025 erfasst, gekennzeichnet und nachgemeldet sein, ihre Standorte sollen dann bis Ende 2026 veröffentlicht werden.
Um die ausgleichende Funktion der Wälder im Wasserhaushalt und ihre Widerstandskraft gegen Trockenjahre wieder herzustellen, fordern wir, die für den Naturschutz besonders wertvollen Feuchtbereiche, die oft schon Mitte des letzten Jahrhunderts durch Anlage von Gräben entwässert wurden, durch den Verschluss bzw. Anstau der alten Entwässerungsgräben aktiv wieder zu vernässen. Dies gilt für Feuchtwälder, Waldmoore, Quellbereiche sowie abflusslose feuchte Senken.
Wir sind uns bewusst, dass es kleinflächig zu einer Beeinträchtigung einiger Waldbestände auf entwässerten Standorten kommen kann. Dies wird jedoch durch eine Verringerung der Klimafolgeschäden bei Wiederherstellung natürlicher Wasserstände sowie durch die positiven Auswirkungen auf die Biodiversität in den nächsten Jahrzehnten mehr als ausgeglichen.
Methodisch schlagen wir vor, dass in den Waldbeständen ein Abgleich mit der seit längerem vorliegenden digitalen Geomorphologischen Karte von Schleswig-Holstein (GMK 20) erfolgt. Aus dieser sind „geschlossene Hohlformen“ (abflusslose Senken) abzuleiten, d.h. Senken, in denen sich ohne menschlichen Einfluss Niederschlagswasser sammelte.
Wo diese Senken in der Vergangenheit entwässert wurden, fordern wir ein Konzept für den aktiven Rückbau der Entwässerungen, d.h. den Verschluss/Anstau der Entwässerungsgräben. Hierbei sind auch Aspekte des Naturschutzes (z.B. Vorkommen seltener Arten) sowie des Bodenschutzes zu beachten, z.B. keine Befahrung mit schweren Maschinen bei höheren Wasserständen oder nach Niederschlägen (vgl. z.B. https://www.wald-mv.de/serviceassistent/download?id=1570818).
Ziel soll sein, in jährlich 5% der ermittelten Flächen die Wasserstände anzuheben, soweit keine privaten Anlieger hierdurch beeinträchtigt werden. Bei tiefen Entwässerungen und Vorkommen seltener Arten kann es erforderlich sein, den Wasserstand in mehreren Schritten anzuheben.
Vernässte Bereiche und Flächen mit organischen Böden dürfen nicht befahren werden.
Nach Wiederherstellung der natürlichen landschaftstypischen Wasserstände werden sich dort wieder kleine Gewässer, Waldmoore, Sümpfe und Bruchwälder entwickeln können - alles hochgradig bedrohte Lebensräume vieler Tier- und Pflanzenarten sowie Flächen mit wichtiger Funktion als Wasserspeicher im Gelände.
Die Landesforsten führen derzeit mit der Wiederherstellung des Heideweihers Süderlügum ein für diese Ziele beispielhaftes Projekt durch (https://www.forst-sh.de/presse/news/news/landesforsten-renaturieren-historischen-heideweiher-in-suederluegum/?tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cH-ash=762afe4f813f3cb2f94c07d247e5c7299.
[1] Vgl. Holtorfer Gehege
Unterstützer*innen
- Johannes Martiny (KV Dithmarschen)
- Petra Ludwig-Sidow (KV Stormarn)
- Ole Eggers (KV Herzogtum Lauenburg)
Zustimmung
- Rolf Martens
- Ole Eggers
- Jakob Brunken
- Ulrike Nowack
Kommentare
Gerd Weichelt:
Petra Ludwig-Sidow:
Bitte unterstützt den Antrag!
Petra (BundesBürgerInitiative Waldschutz)